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6. März 2023 | Eliane Schmocker und Michaela Sciuk, RADIX Schweizerische Gesundheitsstiftung

03 Bewegungsförderung

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3.3 Motor der Entwicklung

Bewegung spielt in keiner anderen Lebensphase eine so grosse Rolle wie in den ersten Lebensjahren. Die frühe Kindheit zeichnet sich durch Neugier, Entdeckerlust und einen grossen Bewegungs- und Betätigungsdrang aus. Dieser Bewegungs- und Betätigungsdrang lässt mit zunehmendem Alter etwas nach, bleibt aber für die Kinder sehr wichtig (Zimmer, 2014). Erfahrungen, die Kinder in Bewegung und beim Spielen machen können, beeinflussen nicht nur den motorischen Bereich. Über Bewegung setzt sich das Kind mit seiner materiellen und sozialen Umwelt auseinander und gewinnt Erkenntnisse über Regeln und Gesetzmässigkeiten. Zudem macht es über seinen Körper auch wichtige Erfahrungen über sich selbst, die die Grundlage seiner Persönlichkeitsentwicklung darstellen (Ingelmann, C. 2011., Zimmer, 2014. S. 30).

Abbildung Bewegung Motor Entwicklung Abbildung 1: Bewegung als Motor der Entwicklung. Was wird durch Körper- und Bewegungserfahrungen beeinflusst.

3.3.1 Motorische Entwicklung

Unter Motorik wird die Gesamtheit aller Funktions- und Steuerungsprozesse verstanden, welche die Haltungen und Bewegungen regulieren. Die motorischen Fähigkeiten werden in koordinative und konditionelle Fähigkeiten gegliedert. Koordination ist die Steuerung und Regulation der Motorik.

Die koordinativen Fähigkeiten sind wichtige Voraussetzungen für das motorische Lernen. Es werden fünf koordinative Fähigkeiten unterschieden:

  • Die Gleichgewichtsfähigkeit ermöglicht uns, das Gleichgewicht zu halten oder es nach einer Positionsveränderung rasch wieder zu erlangen.
  • Die Differenzierungsfähigkeit ermöglicht uns, Bewegungsaufgaben ökonomisch und situationsgerecht zu lösen.
  • Die Reaktionsfähigkeit ermöglicht uns, Signale bzw. Informationen aufzunehmen und darauf schnell und zweckmässig mit einer passenden Bewegung zu reagieren.
  • Die Rhythmisierungsfähigkeit ermöglicht uns, den Rhythmus einer Bewegung zu erfassen und umzusetzen und Bewegungen rhythmisch zu gestalten.
  • Die Orientierungsfähigkeit ermöglicht uns, die Stellung des Körpers im Raum zu erfassen, uns in verschiedenen Positionen zurechtzufinden und andere Personen, Gegenstände im Raum wahrzunehmen.

Die konditionellen Fähigkeiten umfassen vier Bereiche.

  • Kraft ist die Fähigkeit des Nerven-Muskel-Systems, Widerstände zu überwinden, ihnen entgegenzuwirken oder sie zu halten.
  • Ausdauer ist die Fähigkeit, eine Leistung über einen möglichst langen Zeitraum aufrechtzuerhalten und uns nach Belastungen möglichst rasch zu erholen. Sie ist die Widerstandsfähigkeit gegen Ermüdung.
  • Schnelligkeit ist die Fähigkeit, auf einen Reiz oder ein Signal schnellstmöglich motorisch zur reagieren. Dazu gehört auch, Bewegungsfolgen mit hoher Geschwindigkeit und grosser Präzision auszuführen.
  • Die Beweglichkeit erlaubt es uns, Bewegungen mit einem grossen Bewegungsumfang auszuführen.

Die motorische Entwicklung beginnt bereits vor der Geburt. Bei Geburt ist der Mensch mit verschiedenen Reflexen (z.B. Saugreflex, Greifreflex) ausgestattet, die zum Überleben reichen. Dazu gehören auch Vorformen der Fortbewegung wie der Schreitreflex, die jedoch vor Beginn der selbstständigen Fortbewegung wieder erlöschen.

Ab Geburt bis zum 3. Lebensmonat sind bei den Kindern ungerichtete Massenbewegungen zu beobachten. Durch die Reifung des Hirns bzw. des Nervensystems und des Muskelsystem schreitet die Entwicklung der Motorik sehr rasch voran.

Im späten Säuglingsalter (4. Lebensmonat bis 1. Lebensjahr) vollzieht sich eine schnelle und augenfällige motorische Entwicklung. Es ist eine Phase der Aneignung erster koordinierter Bewegungen.

Im 1. bis 3. Lebensjahr befinden sich die Kinder in einer Phase der Aneignung vielfältiger Bewegungsformen. Dies zeigt sich auch in einem ausgeprägten Explorations-, Nachahmungs- und starken Bewegungsbedürfnis.

Vom 4. bis 7. Lebensjahr vervollkommnen die Kinder vielfältige Bewegungsformen. Diese Vervollkommnung zeigt sich z.B. darin, dass sich die Qualität der Bewegungsabläufe verbessert. Die erworbenen Bewegungsgrundformen entwickeln sich von Grobformen zu Feinformen weiter. Die Kinder haben in diesem Alter immer noch ein sehr ausgeprägtes Bewegungsbedürfnis, das durch eine gesteigerte Zielstrebigkeit gekennzeichnet ist.

Vom 7. bis zum 10. Lebensjahr machen die Kinder schnelle Fortschritte in der motorischen Lernfähigkeit. Dieser Entwicklungstrend ist vor allem auf die günstigen körperbaulichen Voraussetzungen, aber auch auf einige für die Lernfähigkeit wesentliche psychische Prozesse zurückzuführen. Dies gepaart mit einem Anstieg koordinativer und einiger konditionellen Fähigkeiten.

Gemeinsam mit den Kindern werden im Raum verschiedene Kuscheltiere (sichtbar) platziert. Die Lehrperson gibt den Kindern einzeln oder zu zweit Aufträge, bestimmte Kuscheltiere zu besuchen. Je nach Auffassungsgabe der Kinder variiert die Anzahl der zu besuchenden Kuscheltiere. Nachdem sie alle genannten Kuscheltiere gefunden und besucht haben, kehren die Kinder zur Lehrperson zurück.

Variationen

  • Für jedes Kuscheltier hat die Lehrperson einige Abbildungen vorbereitet, die sie den Kindern als Merkhilfe für den Besuch der Kuscheltiere mitgibt.
  • Bei jedem Kuscheltier ist eine Holzperlenfarbe deponiert. Beim Besuch der genannten Kuscheltiere fädeln die Kinder eine passende Perle auf ihre Kette. So hat die Lehrperson auch eine Kontrollhilfe.

3.3.2 Kognitive Entwicklung

Die kognitive Entwicklung beginnt bereits vor der Geburt. Von Geburt an wird sie massgeblich von Wahrnehmungs- und Bewegungserfahrungen beeinflusst, die ein Kind machen kann. Lernen ist kein passiver Vorgang, bei dem Informationen aufgenommen und verarbeitet werden. Kinder eignen sich ihre Umwelt produktiv an. Die Eigenaktivität des Kindes ist in diesem Prozess sehr wichtig. Nur wenn ein Kind in der Lage ist, Dinge selbständig zu tun und sich für eine Sache zu interessieren, wird es die Ausdauer haben, sich über einen längeren Zeitraum damit zu beschäftigen (Texor, M.R. 2010, Zimmer, R. 2014).

Das Gehirn als die Schaltzentrale unseres Denkens und Handelns entwickelt sich beim Gebrauch. Es besteht aus rund 100 Milliarden Nervenzellen (Neuronen), die über 100 Billionen Synapsen (Kontaktstellen) miteinander kommunizieren. Bei Geburt haben Säuglinge in etwa gleich viele Neuronen wie Erwachsene, sie sind aber noch weniger vernetzt und Nervenimpulse bewegen sich langsamer.

Im Alter von drei Jahren hat ein Kind doppelt so viele Synapsen wie ein Erwachsener, danach werden die nicht relevanten Synapsen allmählich abgebaut. Dafür werden die benötigten Bahnen zwischen den Neuronen verstärkt (Texor, M.R. 2010). Die Vernetzung ist aktivitätsabhängig und wird durch die Vielfalt der einwirkenden Reize und vielseitige Wahrnehmungstätigkeiten angeregt. Sensorische Reize sind deshalb für Kinder sehr wichtig. Das zeigt auch ihre Vorliebe für alles, was ihr Gleichgewichts- und Bewegungssystem in Schwung bringt, z.B. das Schaukeln, Schwingen, Hüpfen, Balancieren.

Jedes Kind erhält eine Farbkarte (rot, blau, gelb, grün). Für jede Farbkarte wird eine Aufgabe bestimmt

  • Rot: Wie ein Flamingo auf einem Bein stehen.
  • Blau: Wie ein Fisch auf dem Bauch liegen.
  • Gelb: Sich hinsetzten und die gestreckten Beine und Arme Richtung Sonne strecken (Körperposition wie ein «V»).
  • Grün: Wie ein Frosch an Ort und Stelle hüpfen.

Die Kinder bewegen sich mit der Farbkarte in der Hand zur Musik durch den Raum. Bei Musikstopp nennt die Lehrperson eine, zwei, drei oder vier Farben und die Kinder mit der betreffenden Farbkarte machen die entsprechende Bewegung. Kinder mit nicht genannten Farbkarten bleiben wie eingefroren stehen. Bei Musikstart bewegen sich alle wieder frei durch den Raum.

Variationen

  • Während die Musik zu hören ist, tauschen die Kinder untereinander die Farbkarten.
  • Die Zuordnung der Aufgaben zu den Farben wird gewechselt. Grün ist nicht mehr der Frosch, sondern der Flamingo, etc.

Material

  • Mit den Kindern Bierfilzscheiben in den entsprechenden Farben bemalen.

3.3.3 Entwicklung der Wahrnehmung

Kinder sind oft auf der Suche nach Bewegungsgelegenheiten wie Balancieren, Rutschen, Schaukeln, Wippen, Springen Diese Bewegungen sind für die kindliche Entwicklung elementar. Sie liefern die Basis für grundlegende Wahrnehmungserfahrungen.

«Unter «Wahrnehmung» wird das Aufnehmen und Verarbeiten von Reizen über die verschiedenen Sinnessysteme verstanden. Voraussetzung für die Orientierung in der Umwelt ist die Fähigkeit, Sinnesreize zu differenzieren, wichtige Informationen von unwichtigen zu unterscheiden» (Zimmer, R. (2014). S. 78).

Auf wahrgenommene Reize reagieren wir mit einer bestimmten Bewegung oder mit einem bestimmten Verhalten und nehmen uns dadurch erneut wahr. Eine funktionierende Sinneswahrnehmung und -verarbeitung ist eine wichtige Voraussetzung für kognitive und motorische Leistungen, für das Lernen und die Konzentrationsfähigkeit. So kann sich ein Kind nur konzentrieren, wenn es zwischen bedeutsamen und unbedeutsamen Reizen differenzieren und die ganze Aufmerksamkeit auf die Informationsquelle richten kann. Bei Wahrnehmungsstörungen braucht es viel Anstrengung und viele Ressourcen, um zum Ziel zu kommen.

Der Mensch hat mehrere Sinnessysteme, um die Umwelt und sich selbst wahrzunehmen. Dabei gehen wir von sieben Sinnessystemen aus, von denen fünf wichtig für die Bewegungsentwicklung sind und die beiden anderen für die Ernährung. Die Sinnessysteme werden nachfolgend einzeln vorgestellt, obwohl sie eigentlich immer zusammenarbeiten. Meistens gewinnen wir nämlich Informationen gleichzeitig über mehrere Systeme.

Der visuellen Wahrnehmung kommt eine besondere Bedeutung zu, denn das Auge ist ein wichtiges menschliches Informationsorgan. Es ist auch der Sinnesbereich, der im Alltag einer ständigen Reizüberflutung ausgesetzt ist. Die visuelle Wahrnehmung umfasst nicht nur die Aufnahme von Lichtreizen durch das Auge, sondern auch die Verarbeitung der aufgenommenen Informationen. Sie trägt dazu bei, dass sich ein Kind im Raum orientieren oder auch die Flugbahn von Wurfgegenständen verfolgen und einschätzen kann.

Die auditive Wahrnehmung beinhaltet das Hören, das Erfassen des Gehörten und auch dessen Verarbeitung durch das Gehirn. Sie ist zusammen mit der visuellen und vestibulären Wahrnehmung eine wichtige Voraussetzung für die Orientierungsfähigkeit. Zudem baut darauf die Entwicklung der Sprache und der Kommunikationsfähigkeit auf.

Die Haut ist das Sinnesorgan des taktilen Systems. Die Wahrnehmung einer Berührung ist passiv, das Erkunden bzw. Ertasten eines Gegenstandes dagegen eine aktive Wahrnehmung. Durch aktives Berühren gewinnen wir wertvolle Informationen für das weitere Handeln. Dabei spielt aber auch das kinästhetische System eine Rolle. Dank ihm können wir bestimmen, ob ein Gegenstand hart oder weich ist.

Die kinästhetische Wahrnehmung umfasst die Empfindung der Bewegungen des eigenen Körpers oder einzelner Körperteile zueinander «Bei der kinästhetischen Wahrnehmung nehmen Rezeptoren Reize des eigenen Körpers auf. Sie befinden sich in knochenumhüllenden Geweben und Knochenhäuten, in Muskeln, in Sehnen, in Gelenken und auch in Gelenkkapseln. Sie nehmen Informationen über Körperbewegungen, Muskelspannungen und Gelenkstellungen auf und sind notwendig, um Bewegungen ohne visuelle Kontrolle zu planen, zu dosieren und zu automatisieren» (Lienert et al. (2010), S. 32).
Das kinästhetische System ist für die Kontrolle der Eigenbewegungen verantwortlich, also beispielsweise dafür, dass ich einen Apfel mit geschlossenen Augen zum Mund führen kann und den Mund damit treffe. Es kann gut durch Zug und Druck angeregt werden.

Die vestibuläre Wahrnehmung ist für die Gleichgewichtsregulation des Körpers und für die Orientierung im Raum verantwortlich. Zudem befähigt es uns, Beschleunigungen und Drehbewegungen wahrzunehmen und uns darauf einzustellen. Die dafür wichtigen Rezeptoren befinden sich im Innenohr. Das vestibuläre System arbeitet eng mit dem taktilen, kinästhetischen, visuellen und auditiven System zusammen. Besonders anregend für das vestibuläre System sind Dreh- und Schaukelbewegungen. Drehbewegungen wirken aktivieren, leichtes Schaukeln wirkt beruhigend.

Der Geruchssinn reagiert auf chemische Reize. Über die Nase, genauer die Riechzellen, nehmen wir Informationen über unsere Umwelt auf. So lässt sich etwa verdorbene Nahrung oft am Geruch erkennen. Gerüche umgeben uns ständig. Sie wecken bestimmte Emotionen und Erinnerungen, denn Geruchserfahrungen haben eine hohe Tiefen- und Langzeitwirkung. Auch nach Jahren können wir einen bestimmten Geruch mit einem bestimmten Erlebnis verbinden.

Wie der Geruchssinn reagiert auch der Geschmackssinn auf chemische Reize. Die beiden Sinne sind eng miteinander verbunden. Durch den Geschmackssinn können wir Nahrung geniessen und ähnlich aussehende Lebensmittel voneinander unterscheiden. Zudem hat der Geschmackssinn einen Einfluss auf den Verdauungsprozess, da durch die Geschmacksempfindung Speichel- und Magensaftabsonderungen angeregt werden. Die Rezeptoren des Geschmackssinns befinden sich auf der Zunge und in der gesamten Mundhöhle.

  • Wahrnehmung ist ein aktiver Prozess und sollte mit Inhalten aus der Lebenswelt des Kindes gefördert werden. Die Wahrnehmung muss eine Bedeutung, einen Sinn, einen Bezug für das Kind haben.
  • Damit sich Kinder auf Wahrnehmungen einlassen können, brauchen sie Zeit und Raum.
  • Kinder fordern und fördern ihre Wahrnehmungsbereiche meist eigenaktiv. Dazu brauchen sie vielseitige Bewegungs-, Spiel- und Lernangebote.
  • Kinder können sich weniger gut als Erwachsene vor Überstimulation schützen. Sie brauchen dazu Unterstützung.
  • Sprache hilft, Wahrgenommenes einzuordnen, zu benennen und zu verstehen.

Die Kinder bilden Dreiergruppen. Zwei Kinder halten ein Zeitungspapier an den Ecken und spannen es zwischen sich auf. Das dritte Kind läuft mit Tempo durch das aufgespannte Zeitungsblatt. Wechseln.

Variationen

  • Mit gesenktem Kopf durch die «Mauer» laufen.
  • Mit den Händen voran durch die «Mauer» laufen.
  • Die Kinder halten das Zeitungspapier parallel zum Boden. Das dritte Kind springt auf das Blatt.

3.3.4 Entwicklung des Selbst

Körpererfahrungen gelten als früheste Stufe der Selbstentwicklung. Über den Körper entdeckt das Kind seine eigenen Kompetenzen und Fähigkeiten und baut sein Selbstkonzept auf. Dieses ist die Summe aus kognitiven beschreibenden Vorstellungen (Selbstbild) und wertenden Gefühlen über das eigene Selbst (Selbstwertgefühl) und wichtig für die persönliche Entwicklung. Das Selbstkonzept beeinflusst die Motivation und das Handeln sowie die Erwartungen an Erfolg oder Misserfolg.

Um ein Bild über sich selbst zu erhalten, greift das Kind auf unterschiedliche Informationsquellen zurück, wie z.B. auf

  • Informationen über die Sinnessysteme (das «Körperselbst»)
  • Erfahrungen der Wirksamkeit des eigenen Verhaltens
  • Folgerungen aus dem Sich-Vergleichen und Sich-Messen mit anderen
  • die Zuordnung von Eigenschaften durch andere

Kinder gewinnen ihr Selbstkonzept hauptsächlich aus Bewegungserfahrungen und übertragen diese auf andere Herausforderungen, wie z.B. die Überzeugung, Anforderungen kontrollieren zu können.

Ein positives Selbstkonzept bewirkt eine hohe Selbstwirksamkeits- und Kontrollüberzeugung und umgekehrt stärkt eine hohe Selbstwirksamkeitsüberzeugung das Selbstkonzept.

Zum Selbstkonzept gehören

  • das Selbstbild: beschreibbare Merkmale der Persönlichkeit wie Fähigkeiten, Aussehen, etc. (z.B. wie gross bin ich, wo liegen meine Stärken, meine Schwächen, …).
  • die Selbstwirksamkeit: die subjektive Überzeugung, eine bevorstehende Aufgabe erfolgreich aus eigener Kraft meistern zu können.
  • das Selbstwertgefühl: Selbsteinschätzung, Bewertung der eignen Merkmale, Zufriedenheit mit den eigenen Fähigkeiten.

Die Kinder bilden Zweiergruppen. Ein Kind nimmt zwei Seile. Durch Hinlegen der Seile soll es zeigen, wie gross es ist. Anschliessend legt es sich zwischen die Seile und kontrolliert, ob es seine Körpergrösse richtig eingeschätzt hat. Das zweite Kind beobachtet und gibt am Schluss eine Rückmeldung.

Selbstbild Abbildung 2: Wie gross bin ich?

Variationen

  • Ein Kind legt sich auf ein grosses Stück Packpapier, ein zweites fährt dessen Konturen nach.
  • Kreidebilder auf dem Pausenplatz malen.
  • Verschiedene Kartonschachteln aufstellen lassen: In welche passe ich hinein, wo passen wir sogar zu zweit hinein?

3.3.5 Soziale Entwicklung

Die soziale Entwicklung ist weitgehend von den ersten Bindungserfahrungen geprägt, die Kinder in ihren Familien erleben. Betreuungseinrichtungen im Vorschulalter oder auch der Kindergarten erweitert das Netz der sozialen Beziehungen.

Soziale Lernprozesse finden dabei weniger durch verbale Belehrungen oder Anleitung oder gar bewusster Erziehungsmassnahmen statt. Die Erfahrungen im alltäglichen Zusammenleben mit anderen sind für die Kinder viel wichtiger. Sie lernen dabei, miteinander zu teilen, zu streiten und sich wieder zu versöhnen, aber auch, sich selbst zu behaupten und mit anderen zu verhandeln. Möglichkeiten, soziales Handeln zu üben, ergeben sich im Vorschul- und Schulalltag oft von selbst (z.B. im Freispiel). Geführte und angeleitete Sequenzen, insbesondere solche in Bewegung, bieten aber die Chance, spezifische Situationen zu üben, wie z.B. das Aushandeln von Regeln oder das Einordnen in einer Gruppe.

Im Freispiel kann die Lehrperson durch eine gezielte Reflexion bzw. Rückmeldung die Kinder im sozialen Handeln unterstützen. Für den Erwerb sozialer Kompetenzen sind Kinder also auf Gelegenheiten angewiesen, die ihre Fähigkeiten herausfordern. Nur durch das Selbsterfahren können Kinder soziales Handeln verinnerlichen und auf Alltagssituationen übertragen ).

Spiele und Bewegungsaktivitäten bieten vielfältige Gelegenheiten, die Basiskompetenzen des sozial-emotionalen Handelns (Abbildung 2) auszuprobieren und sie weiterzuentwickeln. Kompetenzen, die die Kinder in ihrem Alltag brauchen und die ihnen helfen, sich in Gesellschaft wohlzufühlen.

Basiskompetenzen Sozialen Handelns (1) Abbildung 3: Sozial-emotionale Kompetenzen nach Zimmer, R. (2020). Handbuch Bewegungserziehung. Herder. S. 40.
  • Kinder lernen soziales Verhalten über Nachahmen. Sie brauchen Vorbilder.
  • Kinder bauen soziale Beziehungen über Bewegung und Spielen auf.
  • Bewegungsspiele setzen soziale Lernprozesse in Gang. Diese sind aber nicht immer positiv, wie z.B. Konkurrenzverhalten oder Rivalität. Durch die Auswahl der Spiele und organisatorische Massnahmen (z.B. niemand scheidet endgültig aus) kann die Art des Lernprozesses aktiv gesteuert werden.

Alle Kinder sind Robben. Jedes Kind hat eine Eisscholle (Zeitungspapier/Teppichresten) auf der es liegt, sitzt oder steht. Nach einer Weile haben die Robben Hunger und robben von der Eisscholle ins Meer, um Fische zu fangen. Während dem Fischfangen schmelzen jedoch einige Eisschollen weg (die Lehrperson entfernt einzelne Zeitungen).

Nachdem die Robben genug Fische gefangen haben, tauchen sie wieder auf und suchen sich eine neue Eisscholle, um dort eine sichere Nacht zu verbringen. Weil einige Eisschollen weggeschmolzen sind, müssen einige Robben etwas zusammenrücken, damit alle Platz finden.

Wie lange können alle Robben noch ein Plätzchen finden, obwohl es immer weniger Eisschollen gibt?

3.3.6 Sprachförderung durch Bewegung

«Kinder eignen sich ihre Umwelt durch Bewegung und Wahrnehmung an. Beschaffenheiten und Eigenschaften von Dingen lernen sie durch Betasten, Begreifen und den Umgang damit kennen. So werden Erfahrungen, die durch Handeln gewonnen werden, in Verbindung mit Sprache zu Begriffen.» (Zimmer, R. (2014). S. 93). Ein Kind, das mit einem Ball spielt, ihn auf den Boden prellt oder wirft oder zusieht, wie ein anderes Kind damit spielt, sagt erst nach der Beschäftigung mit dem Ball: «Der Ball springt!»

«Bewegung besitzt ein entwicklungsförderndes Potenzial, das sich insbesondere in den ersten Lebensjahren positiv auch auf die Sprachentwicklung auswirken kann. Die sprachfördernde Wirkung beruht insbesondere auf den vielfältigen Sprechanlässen, die sich beim gemeinsamen Spiel ergeben, beim Bauen und Konstruieren, beim Aushandeln von Rollen und Regeln, im spontanen, spielerischen Umgang mit der eigenen Stimme bei Rollen- und Symbolspielen. Sie entfaltet sich insbesondere in dem motivierenden, lustbetonten Kontext, in dem Bewegungshandeln sich zwanglos mit sprachlichem Handeln verbinden lässt. Sprache wird so am eigenen Leib erfahren. Bewegungsorientierte Sprachförderung beinhaltet die Chance, an den Kompetenzen der Kinder anzusetzen – und nicht an ihren Schwächen.».

«Der spielerische Umgang mit der Sprache, die Lust am Nachahmen, das unbefangene Ausprobieren von Lauten, dies sind gute Voraussetzungen, die Sprache zu erwerben. Bewegung unterstützt diesen Prozess – Sprache wird so am eigenen Leib erfahren.» (Zimmer, R. (2012). S. 18).

Für einen möglichst reibungslosen Spracherwerb sind folgende Rahmenbedingungen wichtig:

  • Die notwendigen organischen Voraussetzungen: Funktionsfähigkeit der Sprechwerkzeuge, Regulation der Atmung, Ausbildung der Muskulatur der Mundmotorik.
  • Eine gut funktionierende Wahrnehmung: Zum Beispiel ermöglicht die auditive Wahrnehmung, die Richtung von Geräuschen zu erkennen, und die kinästhetische Wahrnehmung, Mund- und Zungenbewegungen aufeinander abzustimmen.
  • Soziale Bindungen und Beziehungen bilden sich aus der Interaktion mit anderen.
  • Kognitive Entwicklung: Zum Beispiel werden durch das Hantieren mit Gegenständen Eigenschaften kennengelernt. Daraus bilden sich Begriffe für die Gegenstände und Handlungen.

Diese verschiedenen Voraussetzungen für den Spracherwerb können gut mit und durch spielerische Bewegungen angesprochen und gefördert werden.

Ebenen Des Spracherwerbs Abbildung 4: Ebenen des Spracherwerbs nach Bockmann, AK., Sachse, S., Buschmann, A. (2020). Sprachentwicklung im Überblick.

3.3.7 Gesundheit und Wohlbefinden

Bewegung wirkt sich positiv auf die Gesundheit und das Wohlbefinden von Kindern aus und hat einen präventiven Effekt. Sie stärkt Ressourcen, die für die physische und psychische Gesundheit von Kindern von Bedeutung sind:

  • Stärkung körperlicher Gesundheitsfaktoren, wie die Verbesserung der körperlichen Fitness, der Muskelkraft, der Leistungsfähigkeit des Herzkreislaufsystems, des Immunsystems oder auch der Knochendichte. Genügend Bewegung wirkt präventiv gegen Übergewicht.
  • Stärkung personaler Gesundheitsfaktoren, wie die Entwicklung eines guten Selbstwertgefühls und der Selbstwirksamkeit, aber auch einer zuversichtlichen und optimistischen Grundeinstellung. Zudem kann Bewegung depressive und angstverbunden Symptome vermindern.
  • Stärkung sozialer Gesundheitsfaktoren, wie die Integration in Gruppen, die Bindung an andere und die Akzeptanz von Gleichaltrigen. Motorisch schwächeren oder körperlich unfitten Kinder fällt es schwerer, an Bewegungsspielen und -aktivitäten teilzuhaben, oder sie werden von den anderen eher ausgeschlossen.

Zum Wohlbefinden gehört aber auch, dass Kinder die Möglichkeit haben, sich zu entspannen. Der Wechsel von Anspannung (Aktivität) und Entspannung (Ruhe, sich zurückziehen) hat positive Auswirkungen auf Wohlbefinden und Stressabbau.

Die Kinder bilden Zweiergruppen. Ein Kind liegt in Bauchlage auf dem Boden. Das andere kniet auf Rückenhöhe daneben. Der Rücken des am Boden liegenden Kindes wird zu einem Garten, den es zu bepflanzen gilt. Es ist wichtig, dass die Kinder bei dieser Übung Rücksicht aufeinander nehmen.

Variation

  • Nicht alle Kinder lieben Körperkontakt, viele akzeptieren aber einen Mittler, wie beispielsweise einen Schwamm. Die Massage mit einem Schwamm z.B. kann zum Spiel «Autowaschen» führen.